Wir zeigen Macherinnen.
Sie gründen Schulen, schaffen Arbeit, stiften Solidaritätsnetzwerke und ermuntern Menschen, sich politisch zu engagieren. Fünf Beispiele sollen für viele stehen, die den Glauben an das Gute in sich tragen und damit anderen Mut machen, ihre Lebenslage solidarisch mit anderen Schritt für Schritt zu verbessern.
verfasst von Prof. Dr. Ralf Vandamme
Joséphine Tshiala
Die flinken Augen von Joséphine Tshiala lachen, als hätte sie schon wieder eine neue Idee ausgeheckt, während sie ihr Unternehmen vorstellt. Im Hof klingen die hellen Stimmen der Mädchen, die in der Nähstube Stoffe schneiden und farbenfrohe Kleider daraus nähen. Daneben sitzen ein paar junge Männer und reparieren eine Nähmaschine. Die Mädchen wiederholen laut im Chor Französisch-Vokabeln und gleich nebenan werden Teigtaschen frittiert, zum Verkauf im Quartier. Joséphine erläutert, dass Nichtregierungsorganisationen in der Dem. Rep. Kongo bis zu einem gewissen Grade gewinnorientiert arbeiten dürfen, wenn sie diesen Gewinn in Soziales Engagement reinvestieren. Das tut sie, indem sie Waisenkindern eine Bleibe bietet und diese ausbildet. Auch ihre kleine Apotheke trägt inzwischen zur Finanzierung ihrer sozialen Projekte bei. Ein paar Straßen weiter hat sie eine Vor- und Grundschule aufgebaut, wo die Kleinen ein neues Zuhause finden. Was ist Ihre größte Sorge? — Die Räumlichkeiten zu halten. Warum bist Du trotzdem so zuversichtlich? Gott hat mich aufgesammelt (Dieux m’a ramassé) — ich glaube, dass er es weiterhin tun wird.
Denise Vila
Stellvertretende Bürgermeisterin einer Kommune von Kinshasa mit 100.000 Einwohnern und zahlreichen international operierenden Organisationen — das ist schon etwas! Denise Vila hat viel erreicht und möchte noch mehr für ihr Land bewirken. Deshalb kandidiert sie 2023 bei den Nationalwahlen. „Ich möchte gerne Zentren aufbauen, um Waisen zu unterrichten und etwas für verwitwete Frauen tun.“ Seit zwei Jahren ist sie in Kontakt mit der HSS und hat dort Fortbildungen für Femmes politiques durchlaufen mit den Modulen Coaching, Frauenrechte, Streitschlichtung und anderen. Auch ein Verhaltens- und Rhetorik-Training für kandidierende Frauen war hilfreich. Denise Vila wählt ihre Worte mit Bedacht. Viele Wähler glauben, dass es nichts bringt, Frauen ihre Stimme zu geben, weil die kein Geld haben, um nach den Wahlen etwas zu bewegen. Doch das stimmt nicht. Die Umsetzung politischer Vorhaben hängt nicht an privaten Geldbeuteln. Es kommt auf das politische Programm an. Und auf einen Kulturwandel. Der amtierende Präsident will mehr Frauen in politischer Verantwortung sehen. Zuletzt haben wir erreicht, dass acht von 24 stellvertretenden Bürgermeistern in Kinshasa weiblich sind. Das sollten noch mehr sein. Und wir brauchen mehr Selbstverantwortung. „Sainement“ — Sauberkeit, Hygiene, gute Haushaltsführung fängt bei jedem einzelnen an. Das ist ein großes Problem in Kinshasa. Wir brauchen junge Leute, die mit anpacken. Was gibt Dir Kraft? Die Bevölkerung macht mir Mut!
Monique Biakushila
Viele Frauen haben geradezu Angst vor Bildung! — sagt Monique Biakushila. Deshalb kommt es auf das richtige Empowerment an, auf die innere Haltung. Sie müssen sich nicht zurückhalten, wenn ihre Männer und Brüder reden oder aktiv werden. Das fängt im Kleinen an, in der Familie, im Quartier. Baut selbst Gemüse an! Und habt dabei ein professionelles Selbstbewusstsein! Voller Begeisterung berichtet Monique von den Fortbildungen, die sie in den Regionen außerhalb der Hauptstadt gibt, um das Wissen, das sie durch die HSS erworben hat, weiterzutragen. In Matadi waren es zuletzt 200 Frauen an drei Tagen. Bäuerinnen, Krankenschwestern, Unternehmerinnen, Lehrerinnen, die wiederum Witwen und Waisenkinder darin anleiten, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Kirche stellt den Raum zur Verfügung, eine NGO das Essen, und so müssen die Teilnehmerinnen nur 5000 CDF (2.00 $) Eigenanteil beisteuern. Dort lernen sie, diskutieren und entwickeln neue Geschäftsideen. Und erleben sich als eine von vielen, als Teil einer Bewegung. Auch aus diesem Grunde werden nicht nur praktische Inhalte gelehrt, sondern auch grundsätzliche Fragen behandelt; Menschenrechte zum Beispiel. Damit den Frauen immer bewusst ist, dass es nicht nur um ihr eigenes Schicksal geht, sondern um eine bessere Gesellschaft, zu der sie ihren Beitrag leisten. Monique hat die Welt gesehen, studierte Management, hatte und hat verschiedene Ämter in politischen Parteien und kandidiert 2023 für die Nationalwahlen. Von ihrem reichen Erfahrungsschatz möchte sie nun etwas abgeben. Was gibt Dir Kraft? Der Wunsch, zu dienen.
Faida Mwangilwa
Wer dem Tod so tief ins Auge blickte und trotzdem seinen Humor bewahrt, muss schon eine besondere Konstitution haben. Faida Mwangwila organisierte 1998 Flüchtlingskonvois für Zivilisten nach Ruanda. Einmal gerieten sie in einen Hinterhalt, ihr Fahrer wurde direkt neben ihr erschossen, sie stieg aus, ging auf die Milizen zu, klagte sie an, verhandelte um das Leben der 200 Flüchtlinge, Frauen, Kinder, alte Leute. Sie hatte Glück, sie wurden gerettet. Der Schock saß tief, doch Faida intensivierte ihr Engagement noch, wurde zunächst Büroleiterin des Gouverneurs von Goma und schließlich Ministerin für Frauenrechte in der sogenannten Übergangsregierung, die nach der Ermordung L.-D. Kabilas (2001) demokratische Wahlen anstrebte. Dort arbeitete sie maßgeblich an Gesetzen zur Gleichstellung von Frauen mit. Heute arbeitet sie für eine Nichtregierungs-organisation und für das ISDD als Coach im Rahmen der Fortbildung Leadership Féminin. Das ISDD hatte sie schon Anfang der 2000er Jahre für diese Aufgabe geworben, damit sie als Frau anderen Beispiel geben könne. Faida hat Pädagogik studiert, aber war, so sagt sie lachend, mehr auf Demonstrationen als im Hörsaal zu finden. Dort wurde sie politisch sozialisiert und lernte die Solidarität derjenigen kennen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Dabei ist sie keine dogmatische Feministin: Als ein junger Mann sie fragte, ob er in ihrem Büro mitwirken könne, nahm sie ihn auf und zahlte gut. Er investierte das Geld in sein Jurastudium. Heute ist er Anwalt und kooperiert mit ihr. Warum bist Du so engagiert? Weil es gute Menschen in diesem Lande gibt.
Eugenie Kakesa
Was sie wirklich schockiert, ist, wenn jemand Geld hinterzieht. Eugénie Kakesa hat schon zahlreiche Mikrokreditgruppen (GSEC) auf den Weg gebracht und bietet ihnen mit AMAMID eine Dachorganisation sowie einen Garten als Heimat und Versammlungsort. Dort herrscht Stille und absolute Sauberkeit — gleichsam als Spiegelbild von Selbstdisziplin und Willkommenskultur. Korruption ist ein so tiefgreifender Verstoß gegen solidarische Werte, dass sie das sprachlos macht. Lieber denkt sie an die Frau, die mühsam Brennholz im Wald sammelte, um irgendwie über die Runden zu kommen, und das dann verschämt am Straßenrand verkaufte. Sie sprach diese an, nahm sie in eine der GSEC auf und nun verkauft sie ihr Holz in einem Laden. Oder an die Witwe, die so lange sparte, bis sie aus einer Blechhütte in ein Steinhaus ziehen konnte. Doch Kakesa sieht nicht nur die einzelnen: „Wir haben das Viertel elektrifiziert!“ Durch gemeinschaftlichen Druck auf die politisch Verantwortlichen. Viele hier möchten, dass sie Bürgermeisterin wird, berichtet sie augenzwinkernd. Dieser Rückhalt motiviert und so arbeitet sie an einer Kandidatur. Gibt es auch Rückschläge? Gewiss. Als ein großer Hilfsfonds großzügige Kredite von 50, 100 oder 300 $ vergab, wanderten viele Mitglieder aus den GSEC ab. Den Solidaritätsnetzwerken drohte das Ende. Doch viele konnten die Kredite nicht zurückzahlen und so musste der Fonds sein Investment einstellen. Inzwischen laufen die GSEC wieder wie zuvor und Eugénie hat neue Zukunftspläne: Ihre erwachsenen Töchter mögen AMAMID fortführen, denn sie sind damit groß geworden. Warum bist Du so engagiert? Ich kann niemanden leiden sehen.